Die Heuchelei des Entsetzens

Die Bundeskanzlerin besuchte Afghanistan. Warum eigentlich? Truppenbetreuung? Hatte ich mir anders vorgestellt.

Falls man ihre Worte für die Afghanen übersetzt hat, dürften sie wie Hohn geklungen haben. Sie sprach der afghanischen Regierung ihr Beileid zu den 16 Toten aus, die bei einem nächtlichen Angriff durch angeblich einen gestörten US-Soldaten ermordet wurden. Der Regierung, nicht den Familien. Was denkt sie sich eigentlich?

Und wenn ich im obigen Absatz „angeblich“ schreibe, dann deshalb, weil ich der verbreiteten Version wenig Glauben schenke. Tote Zivilisten sind ja nichts Neues, und nächtliche Überfälle auf Privathäuser auch nicht….

Hintergründe ist dem etwas genauer nachgegangen, dabei entstand ein lesenswerter Artikel. Ich nehme nur einen Absatz heraus, wer sich für das Thema interessiert, folge bitte dem link:

Genauso wenig überrascht es, wenn in Deutschland Kanzlerin und Außenminister, die ansonsten die Verbrechen der Besatzungskräfte verschweigen oder schönreden, und denen Worte des Bedauerns gegenüber den Angehörigen der Opfer dabei nur selten über die Lippen kommen, sich plötzlich „schockiert“ und „entsetzt“ zeigen.

Mit der Bezeichnung als „Amoklauf“ versucht Bundeskanzlerin Merkel die Tatsache zu übertünchen, dass es sich bei dem Massaker um den ganz normalen Wahnsinn handelt, in den die USA und ihre Hilfstruppen das Land gestürzt haben.

„Leider reiht sich diese Wahnsinnstat des Soldaten in eine Kette von Fehltritten ein, die das Vertrauen der Bevölkerung in die westlichen Streitkräfte schwer erschüttert hat“, kommentierte die Saarbrücker Zeitung und lieferte damit ungewollt eine Paradebeispiel für die Arroganz des Westens. (21)

25 Tonnen Bomben für ein kleines Dorf

Bereits im Oktober fand diese Heldentat in Afghanistan statt. Als die US-Army sich nicht in der Lage sah, dass Dorf zu „säubern“, wurde es in Grund und Boden gebombt:

 

Ganz sicher, die Bewohner des Dorfes – es soll KEINE zivilen Toten gegeben haben – sind jetzt sicher völlig begeistert von der US-Armee und Petraeus.

Die ganze Geschichte mit reichlich Hintergrund findet man hier. Mir reichten die Bilder.

Der deutsche Staat als Straftäter?

Tatsächlich hat vor einigen Tagen ein Richter des OLG Karlsruhe den BKA-Chef  angezeigt.  Durchaus zu Recht, wie ich finde. Auch der Abgeordnete der LINKEN, Nescovic, hatte bereits nachgefragt, wie es angehen könne, dass ein deutscher Staatsbüger abgeschossen werde und die deutsche Regierung nicht nur nicht protestiere, sondern dies eventuell mit ermöglicht habe. Darüber hatte ich bereits früher an anderer Stelle gebloggt.

Abgesehen davon, dass diese Drohnenattentate der USA in einem befreundeten Land in meinen Augen ohnehin Mord sind – es ist ein Armutszeugnis, wie aus Deutschland mit Staatsbürgern umgegangen wird, die Muslime und eventuell eingebürgert sind. Dazu gehört auch der Fall des deutsch-syrischen Al-Masri, der zuerst verschleppt, dann nach Afghanistan entführt und dort verhört und gefoltert wurde. Durch Wikileaks bekannt gewordene Depeschen haben erkennen lassen, dass die deutsche Regierung – im Gegensatz zu Italien! – sich aufgrund amerikanischen Drucks geweigert hat, die Entführer wirksam zu verfolgen. Nachdem dies nun veröffentlicht wurde, gerät sie dafür unter Druck.

Die Frage, die sich sicher nicht nur mir stellt: sind deutsche Muslime so sehr Bürger zweiter Klasse in den Augen der diversen deutschen Regierungen, dass sie ohne Widerspruch entführt, gefoltert, ja sogar getötet werden dürfen? Ist man so scharf darauf, sie loszuwerden, dass dazu von höchster Stelle auch noch Beihilfe geleistet wird? Diese Fragen sollten Muslime in Deutschland laut stellen. Und bedenken, bevor sie zugunsten eines deutschen Passes ihren alten abgeben.

Manche Tote zählen, andere?

In einem Kommentar bei einem Freitag-Blog las ich, dass es nunmehr 45 Tote bei den deutschen Soldaten gegeben hätte. Ein Artikel in der NZZ beziffert die Zahl der toten NATO-Soldaten für dieses Jahr auf 700, insgesamt auf 2300 (für Afghanistan). Traurig, klar.

Was mich aber wütend macht, sind die ungezählten, unerwähnten Toten. Die, die nicht freiwillig in die Kampfzone gingen, für gutes Geld. Die, die dort leben, dort zu Hause sind – und einfach, oft als „Kollateralschaden“ bezeichnet, getötet werden – und für die westlichen Medien nichts zählen. Keiner Erwähnung wert sind.

Und dann wird am Ende des NZZ-Artikels auch noch ganz cool erwähnt, dass ja die USA gerne außer den Drohnenangriffen auch Truppen nach Bedarf in Pakistan einsetzen möchten. Um „Islamisten“ zu fangen. Auf dem Boden eines angeblich befreundeten Staates – einfach mal so Leute kidnappen.

Aber das regt in Europa oder Amerika niemanden auf. Sind ja nur Moslems. Und für die gilt – siehe den tweet von gestern.

Liebermann lässt grüßen.

Deutschland – protestieren, gegen was, für was?

Wohl nicht als einzige habe ich gestern die eigentlich unglaublichen Vorgänge im Stuttgarter Schlossgarten verfolgt. Dank internet ist man ja nicht auf die öffentlich-rechtlichen Medien angewiesen. Während ich so die Meldungen eingehen sah, geriet ich ins Grübeln.

Wohlgemerkt, ich persönlich bin gegen „S21“. Ich habe selbst in Stuttgart gelebt und kenne die Nachteile des derzeitigen Bahnhofs – aber auch die der Neuplanung. Angefangen bei den Fragen der Sicherheit des Untergrundes (man denke an den Einsturz der U-Bahn-Baustelle in Köln) bis hin zum völlig aus dem Rahmen laufenden Finanzvolumen – meiner Meinung nach ist der Plan Hybris, die sich bös strafen könnte. Eine vernünftige, gut geplante Renovierung wäre viel wichtiger gewesen. Oder eine völlige Umplanung – in Kassel ist man auf diese Weise seinen Kopfbahnhof auch losgeworden.

Aber – so wichtig das für Stuttgart ist, so erfreulich, wie ich es finde, dass so viele Menschen aus allen Schichten bereit sind, dafür zu demonstrieren – mir bleibt ein bitterer Beigeschmack.

Erst wenige Tage zuvor wurde der Plan der Regierung ruchbar, trotz des Urteils des Bundesverfassungsgesetz den Hartz-IV-Satz um lediglich 5 Euro zu erhöhen – nebst einigen Grausamkeiten, über die kaum diskutiert wurde. Sah ich da Massendemos? Nein, und ich denke auch nicht, dass sie kommen.

Großveranstaltungen gegen die Beteiligung am Krieg in Afghanistan, wo immer mehr Menschen umkommen, auch durch die Tätigkeit der Bundeswehr?

Es gäbe etliches, was ich wichtiger fände, als diesen Bahnhof – so sehr mir diese Geldverschwendung auch gegen den Strich geht. In den letzten Tage gab es in mehreren europäischen Ländern Generalstreiks – gegen als falsch gesehene Regierungspolitik. In Deutschland? Kaum etwas. Was hat dann dieser Bahnhof, dass er so viele Menschen auf die Straße bringt?

Mich hielt gestern die Demonstration der Polizeigewalt am Bildschirm. Unabhängig vom Zweck der Demonstration schockierte mich der Umgang der Machthaber mit den Menschen – die doch so friedlich sind. Werden sie es bleiben oder in Zukunft auch wegen wichtigeren Dingen Widerstand leisten?

Verbündete oder Feinde?

Wieder gab es einen Angriff der NATO auf pakistanischem Gebiet. Diesmal jedoch war es ein größerer Fehler: es wurden drei pakistanische Grenzsoldaten getötet.

Die Armee ist in Pakistan wichtig – das ist mehr, als sich die Regierung stillschweigend oder nur pro forma protestierend gefallen lassen kann. Daher wurde jetzt die Nachschubroute über den Khaybar-Pass geschlossen.

This supply route is critical for non-military supplies for Isaf: it is reported that up to 250 vehicles a day cross the Pakistan border into Afghanistan as part of the Nato supply chain. Pakistan’s relations with Nato are already strained over the intensifying drone attacks in the border regions.

Rehman Malik, the Pakistani interior minister, said of the border incident: „We will have to see whether we are allies or enemies.“

Es wird Zeit, dass man sich diese Frage in Islamabad stellt. Ständige Grenzverletzungen sind ein Zeichen mangelnden Respekts gegenüber einem Staat, zumal wenn dabei immer wieder unbeteiligte Menschen ums Leben kommen. Auch die USA und die NATO sollten merken, dass man nicht alles für Geld kaufen kann.

 

Internationales Recht? Doch nicht für alle

Schon der Angriff auf Afghanistan war insgesamt mehr als zweifelhaft. Kein afghanischer Staatsbürger, auch nicht die damalige Regierung, war an dem Angriff auf das WTC beteiligt gewesen. Nun aber bombt und schießt die amerikanische Armee mit ihren Verbündeten seit neun Jahren in Afghanistan – und überschreitet dabei in letzter Zeit immer öfter die Grenze nach Pakistan.

Pakistan, das durch unverholene Drohungen seinerzeit gezwungen wurde, sich auf die Seite der Angreifer Afghanistans zu stellen, auf Kosten der inneren Stabilität, denn die pakistanische Bevölkerung ist mehrheitlich kaum daran interessiert, für den Westen den Kopf hinzuhalten. Die ohnehin schwache Grenze wurde dabei zum Sicherheitsrisko, gerade für Pakistan.

Inzwischen aber wird der Widerstand lauter – die pakistanische Regierung protestiert inzwischen vernehmlich gegen die Angriffe auf ihrem Staatsgebiet. Diese eskalieren, zuletzt überschritten ausländische Truppen wieder die Grenze, während sonst meist unbemannte Drohnen ihr mörderisches Handwerk ausführen. Federführend ist hier die CIA geführt.

Over all the spy agency has carried out 74 drone attacks this year, according to the Web site The Long War Journal, which tracks the strikes. A vast majority of the attacks — which usually involve several drones firing multiple missiles or bombs — have taken place in North Waziristan.

The Obama administration has enthusiastically embraced the C.I.A.’s drone program, an ambitious and historically unusual war campaign by American spies. According to The Long War Journal, the spy agency in 2009 and 2010 has launched nearly four times as many attacks as it did during the final year of the Bush administration.

One American official said that the recent strikes had been aimed at several groups, including the Haqqani network, Al Qaeda and the Pakistani Taliban. The United States, he said, hopes to “keep the pressure on as long as we can.”

But the C.I.A.’s campaign has also raised concerns that the drone strikes are fueling anger in the Muslim world. The man who attempted to detonate a truck filled with explosives in Times Square told a judge that the C.I.A. drone campaign was one of the factors that led him to attack the United States.

Wohlgemerkt: Pakistan gilt nicht als feindlicher Staat, sondern als Verbündeter. Jedoch wurde weder um Erlaubnis gebeten, noch sie erteilt, auf pakistanischem Gebiet militärische Aktionen durchführen zu dürfen. Was bedeutet nach internationalem Recht, wenn eine ausländische Armee auf dem Gebiet eines anderen Staates Bomben wirft, Soldaten einmarschieren lässt und Staatsbürger und Gäste tötet? Eigentlich wohl eine Kriegserklärung.

Würde nun die pakistanische Armee zum Schutz ihrer Grenze schießen – ich bin sicher, die USA wären furchtbar empört. Aber – Pakistan hätte das Recht dazu. Die USA sollten es nicht zu weit treiben.

Recht? Was ist das? – USA

Gestern hatte Omar Khadr Geburtstag. Er wurde 22. Seit seinem fünfzehnten Lebensjahr sitzt er in amerikanischer Gefangenschaft, in Guantanamo. Er ist der jüngste dort, sein Verfahren vor einem Militärgericht läuft.

Die Rechtsverstöße gegen internationales Recht, die sich aus dem obigen Absatz ergeben, sind so vielfältig, dass man meinen sollte, dies sei eine juristische Prüfungsfrage, aber nicht die Realität eines Staates, der sich anmaßt, anderen „Recht und Demokratie“ bringen zu wollen.

Ein 15jähriger, der beim Kämpfen erwischt wird, gilt als Kindersoldat. Er darf weder mit Erwachsenen inhaftiert, noch vor ein Militärgericht gestellt werden. Vielmehr hätte er Anspruch auf Beratung, Hilfe, Wiedereingliederung gehabt. So aber sieht er mit einiger Wahrscheinlichkeit einer jahrelangen, wenn nicht lebenslänglichen Gefängnisstrafe entgegen.

Hinzu kommt, dass er während der Gefangenschaft misshandelt wurde – ein Skandal, um so schlimmer, dass man es kaum noch erwähnen muss, das versteht sich inzwischen bei Guantanamo-Häftlingen fast von selbst.

Um so schlimmer, dass die kanadische Regierung – denn er ist kanadischer Staatsbürger – es unterlassen hat, auf seiner Auslieferung zu bestehen. Bürger zweiter Klasse?

Belohnung für Oberst Klein

Wie der SPON meldet, wird Oberst Klein, der vor einem Jahr die Bombardierung der um zwei Tanklastzüge gescharten Menschen in Kunduz befahl, befördert und bekommt einen Job im Verteidigungsministerium. Inzwischen wurde er ja von allen Vorwürfen für seine Handlungen freigesprochen, die Familien der Toten wurden mit kleinen Almosen abgespeist.

So weiß nun jeder Karrierist, wie er sich in Afghanistan verhalten muss, um erfolgreich zu sein.

Nach den letzten Tagen – siehe meinen Artikel zu Merkel und Naumann-Stiftung – scheint mir immer klarer, dass das politische Deutschland ohne Rücksicht auf Verluste sein Mütchen an der muslimischen Welt kühlen will. Und der Mann auf der Straße scheint das zu goutieren. Da braucht es weder Sarrazin noch eine neue Partei, das können die etablierten schon ganz alleine.

Übel.

Karzai: neue Töne?

Das kennt man ja noch gar nicht vom afghanischen „Präsidenten“: er fordert, dass ausländische Söldner das Land verlassen sollen. Damit meint er zwar nicht die zahlreichen Soldaten diverser Länder, die seine Existenz sichern, sondern deren private Hilfstruppen, insbesondere Amerikaner.

Die haben sich, wohl in Form von Outsourcing, anscheinend ziemlich breit und ziemlich unbeliebt gemacht, was man von der Blackwater-Nachfolgerin Xe ja nicht anders erwarten kann.

Recht deutlich soll er geworden sein, der gute Herr Karzai:

To help strengthen the Afghan government, the US and NATO should eliminate private security companies,” Karzai said, adding that their presence is „intolerable“ since they have created a security structure that undermines the police and the army. 

„Afghan or foreign companies, there are some 30,000 to 40,000 people in these security companies,“ he noted. 
„They have created security problems for us, whoever is working in these private security companies, they are not working for the benefit of Afghan national interests… If they really want to be at the service of Afghans, they should join the Afghan National Police,“ Karzai added. 
„Very urgently and seriously we want… the foreigners to stop creating private security companies,“ the Afghan president said, adding, „we cannot tolerate these companies, which are like a parallel structure with our forces. We cannot have police, army and — at the same time — another force as private security companies.“ 
Das klingt recht nachvollziehbar. Vor allem angesichts dieser Fakten:
Kabul has confirmed the presence of 52 foreign private security companies in Afghanistan, including the notorious US security firm Xe Services LLC — formerly known as Blackwater. 
Private security guards are operating in the country with absolutely no supervision by the Afghan government. 
Karzai had earlier accused foreign security contractors of operating like militias, saying that the firms are only worsening the security situation in Afghanistan. 
Most of the security contractors are believed to have close ties with Afghan warlords and have been accused of being partly responsible for the rise in civilian casualties in the country. 
In the June 4 edition of The Wall Street Journal, it was reported that Xe’s most recent government contract tasked the group with protecting CIA bases in Afghanistan. 
The report was confirmed at the end of June by Central Intelligence Agency Director Leon Panetta during a TV interview, the newspaper wrote. 
Die Frage ist nur, ob er tatsächlich darüber bestimmen darf, wer sich in dem von ihm „regierten“ Land aufhält. Die Antwort könnte ihn eventuell darauf aufmerksam machen, dass er nur zu nicken, aber nichts zu fordern hat. Das ist der Preis, wenn man sich in dieser Weise an die Macht bringen und dort halten lässt.