Um die Kölner Moschee der DITIB hat es von Anfang an viel Streit gegeben. Ich fand immer, die DITIB hätte sich ziemlich viel Mühe gegeben, Öffentlichkeit herzustellen, die Stadt mit einzubeziehen, bis zu Punkten, wo ich dachte, muss das denn sein.

Denn – abstrahieren wir doch mal von der Tatsache, dass es sich um eine Moschee handelt. Tatsache ist, dass dort in Ehrenfeld ein Grundstück seit Jahren im Eigentum eines eingetragenen Vereins steht und dieser das daraufstehende Gebäude gemäß einer Erlaubnis für seine satzungsgemäßen Zwecke nutzte. Dieses Gebäude sollte nun abgerissen und ein neues, dem Zweck besser dienendes, errichtet werden. Ein völlig normaler Vorgang, dessen Berechtigung sich bereits aus der Eigentümerstellung ergibt.

Der Bauherr, als Verein eine Privatperson, ist weder verpflichtet, die Art des Baus über das baurechtlich gebotene hinaus von Dritten beeinflussen zu lassen, noch, seine inneren Angelegenheiten öffentlich zu machen. Die DITIB hat sich, auch mit dem Architekturwettbewerb, da schon sehr weit reinreden lassen. Anscheinend hat das den Eindruck erweckt, dass man sich dort daher verpflichtet habe, alles öffentlich zu bekakeln – und nun, nein, wie schlimm, änderte sich der DITIB-Vorstand und es geht ein entsetzter Aufschrei um. Haben die doch nicht gefragt, bevor der so bequeme Ali Dere abgelöst wurde. Wie brüskierend!

Ehrlich – nach der Pleite mit den „Vermisst“-Plakaten und der Teilnahme an der unsäglichen Sicherheitspartnerschaft hätten auch bei den anderen Verbänden Köpfe rollen müssen. Und auch das hätte keinen brüskieren dürfen, selbst wenn die dann nachrückenden Personen nicht so handzahm wären.

Hoffen wir, dass die DITIB sich in Zukunft etwas mehr Profil und Rückgrad leistet – könnte anderen Verbänden auch gut zu Gesicht stehen.

Spracherwerb erst in Deutschland – und andere Konsequenzen

Im Jahr 2007 wurde das Ausländerrecht dahingehend verschärft, dass jetzt Ehegatten, die im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland einreisen wollen, zuvor Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu erwerben haben und diese mit einem Test beim jeweiligen Goethe-Institut nachweisen müssen.

Diese Regelung hat für sehr viele Paare zu Härten geführt (wenn sie denn nicht zu den gesetzlich geregelten Ausnahmen wie Nachzug zu EU-Ausländern, Amerikanern, Israelis oder Koreanern zählen), sei es, dass das nächste Goethe-Institut sehr weit weg ist, sei es, dass die Kursgebühren und der Unterhalt für die Kurszeit kaum finanzierbar sind, sei es ganz einfach, dass sich jemand mit dem Sprachelernen besonders schwer tut.

Das kann sich monate, ja jahrelang hinziehen – auch, wenn der Ehegatte hier Deutscher ist. Von Beginn an wurde darüber diskutiert, ob diese Regelung verfassungskonform sei. Nunmehr hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall entschieden, eine mehr als einjährige Trennungszeit sei nicht zumutbar. Wenn dann trotz Bemühungen der Test nicht vorgelegt werden könne, müsse die Einreise trotzdem gestattet werden.

Das Besondere an diesem Fall ist, dass hier die Behörde den Ehemann darauf verwiesen hatte, als eingebürtertem Deutschen sei es ihm doch möglich, für die Zeit des Sprachelernens seine Ehe im Heimatland der Frau, das ja auch mal seines war, zu führen. Dieser Idee erteilt das Gericht eine klare Absage: ein Deutscher, auch eingebürgert, hat das Recht, seine Ehe in Deutschland zu führen.

Diese Bemerkung wiederrum lässt mich an anderer Stelle hoffen: mit den Änderungen von 2007 wurde auch die Figur der Regelausnahme eingeführt: Regel ist, dass der Ehegatte eines Deutschen nachziehen darf, ohne dass der deutsche Ehegatte seine Einkommensverhältnisse nachweisen muss. Ausnahme – seit 2007 – ist, dass jemand, der nicht einen Betrag von Hartz IV + x (x steht im Belieben der Ausländerbehörde) verdient, und dem die Eheführung im Ausland „zumutbar“ ist, keinen Anspruch auf Einreise des Ehepartners hat. Davon wird insbesondere gerne bei Doppelstaatlern, Eingebürgerten und solchen Deutschen Gebrauch gemacht, die länger im Ausland gelebt haben. Eine böse Falle auch für Ausgewanderte, die zurückkehren wollen.

Dem könnte diese Rechtssprechung des BverwG ein Ende bereiten – keine Deutschen zweiter Klasse mehr?

Nicht zu Ende gedacht

Für Berlin wollte der Justizsenator Heilmann eine Übergangsregelung schaffen, um die Rechtsunklarheit der Strafbarkeit von Beschneidung zu beseitigen.

Es erging eine Anweisung an die Staatsanwaltschaft, unter welchen Voraussetzungen die Beschneidung von Jungen straffrei zu bleiben, also nicht verfolgt zu werden haben:

„schriftliche Einwilligung beider Eltern sowie der Nachweis der religiösen Motivation. Darüber hinaus muss die Beschneidung fachgerecht durch einen approbierten Arzt vorgenommen werden. „Sterilität, größtmögliche Schmerzfreiheit und eine blutstillende Versorgung“

Das war gut gemeint – aber die Kritik folgte auf dem Fuße. Für die jüdischen Gemeinden ist und bleibt es ein Eingriff in ihre Religionsausübung – sie riefen zu einer Demonstration auf.

Soweit mir bekannt, ist ein wesentlicher Kritikpunkt der jüdischen Gemeinden die Beschränkung auf approbierte Ärzte. Das schränkt die Möglichkeiten für jüdische Eltern sehr ein: dort darf (meines Wissens nach) nur ein koscher lebender Jude die Beschneidung durchführen. Wieviele koscher lebende jüdische Ärzte gibt es wohl? In Berlin mag man da vielleicht noch einen finden, aber wer anderswo lebt, könnte da schon rechte Schwierigkeiten haben.

Für die Muslime ist dieser Punkt der Regelung kein Problem, wohl auch daher war die muslimische Beteiligung an der Demonstration nicht groß.

Allen aber – und hier schließt sich auch der Präsident des Bundestages, Thierse, an – missfällt die Forderung nach dem Nachweis der religiösen Motivation. Thierse argumentiert, dies widerspreche der Bekenntnisfreiheit (hat er das bei der Schächtdebatte eigentlich auch gesagt?). Hinzu kommen die praktischen Schwierigkeiten: die jüdischen Gemeinden mögen ihren Mitgliedern ja die Mitgliedschaft bestätigen. Aber wie sieht es mit denen aus, die dort nicht Mitglied sind? Und bei den Muslimen? Deren Verbände und Moscheen will man ja partout nicht als Religionsgemeinschaft anerkennen. Oder – zu diesem Zwecke – jetzt doch?

Ich habe den Eindruck, auch Herr Heilmann hat da ebenso wie der Kölner Richter nicht zu Ende gedacht.

NSU – Zufälle gibts

Nur: daran glauben muss ich nicht:

Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll wichtige Geheimakten zum Thüringer Heimatschutz gelöscht haben, dem einst die Zwickauer Zelle angehört hatte – auch noch am 11. November 2011. Genau an diesem Tag übernahm die Bundesanwaltschaft die Aufklärung der NSU-Mordserie.

Das stinkt zum Himmel.

Verdammende Definition

Das neueste Feindbild in Deutschland scheinen ja nunmehr die „Salafisten“ zu sein und so wird fröhlich zur Jagd auf sie geblasen.  Der thüringische Verfassungsschutz hat einen Imam ausgemacht, der ein solch gefährlicher Mensch zu sein scheint. Und, oh graus, er arbeitet auch als Gefängnisseelsorger.

Wie aber erkennt man so einen Kerl? Na, ganz einfach:

Der Islam-Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (Berlin), Friedmann Eißler (Berlin), hält Dündar für einen Kopf der salafistischen Szene. „Was ich von ihm sehe, macht klar, er gehört zu den führenden Leuten.“ Als Anhaltspunkte nannte Eißler gegenüber der FAZ die Kopfbedeckung, die Länge des Bartes und die traditionelle Kleidung.

Und was sagt so ein „Salafist“? Es gibt ein längeres Interview mit ihm, der Fragende scheint ihn nicht besonders zu mögen. Ich fand es insgesamt sehr interessant, vielleicht erklärt mit ja mal ein freundlicher Leser, was daran so schlimm ist (verglichen z.B. mit katholischer Lehre – nicht mit Taufscheinchristentum). Ein Auszug:

Abdullah Dündar: Ich könnte Ihnen viele solche Beispiele bringen. Aber: ich glaube an Gott, an die letzte Offenbarung, die Gott herab gesandt hat. Jene Religionen, Bibel oder Thora, wo geändert und verändert wurde, das hat der Koran korrigiert. Woran ich glaube, hat in Thora und Bibel gefehlt. Der Koran ist das vollkommene Buch. Viele Darstellungen ähneln der Thora, der Bibel. Wir alle glauben an Gott.

Lexi-Online:
Es sind alles monotheistische Religionen.

Abdullah Dündar: Wichtig ist: Wenn man an den einen Gott nicht glaubt, so ist man nicht gläubig, auch im Islam. Die Vollständigkeit des Glaubens entscheidet. Noch einmal: Dies gilt ebenso für Muslime. Die Grenze zwischen Glauben und Unglauben ist also nicht starr. Wir glauben an Gott mit allen seinen Eigenschaften, an Heilige Bücher, wir glauben an alle Propheten: Moses, Jesus, Mohammed sind Allahs Propheten.

Lexi-Online: Herr Dündar, Sie ziehen einen Vergleich zwischen den Religionen. Und der Islam ist die vollkommene Religion, während alle anderen Religionen in unserer Familie abrahamitischer Religionen etwas Unvollkommenes haben. Habe ich das richtig verstanden?

Abdullah Dündar: Das haben Sie richtig verstanden.

Wegen solcher und anderer Aussagen wird heute versucht, die Existenz von Menschen in Deutschland zu vernichten.

 

Ohne mich

In Deutschland werden Korane verteilt und Hysterie geschürt. Würde ich es nicht sehen und lesen, ich könnte es nicht glauben. Da stehen Gruppen mit Tischen – ordentlich angemeldet – an Straßen und verschenken Bücher, keiner wird gezwungen, eines anzunehmen.

Trotzdem häufen sich die Zeitungsartikel, die versuchen, aus Politikern herauszukitzeln, wie man dieses schlimme Treiben beenden könnte, bis hin zu Aufrufen, die Bücher zu nehmen und zu verheizen. Letzteres ist schon hart am Rande des Zulässigen, eine Beschwerde beim Presserat läuft mit Sicherheit schon.

Und nun fordert der Innenminister Schünemann mal wieder. Diesmal keine Blockwarte, sondern ein „gemeinsames Handeln“ gegen die Salafi, die diese Aktion durchführen. Nicht genug, dass die Druckerei, die die Koranausgaben auf Bestellung der Verteiler herstellt, so lange unter Druck gesetzt wurde, bis sie den Auftrag „zurückgab“ (ich hoffe, das wird teuer), nein, jetzt soll noch über die „Islamkonferenz“ eine Front gegen die Salafi geschaffen, sich von ihnen distanziert, vor ihnen gewarnt, sie ausgegrenzt werden. Sie sind ein passendes Feindbild, ganz offensichtlich, und meist auch gut an ihrer Kleidung und ihrem Auftreten zu erkennen.

Gerade da aber würde ich an der Stelle ihrer Verfolger mal kurz innehalten: Kaftane, Bärte, Käppchen – war da nicht mal was?

Ich frage mich jedoch, was – außer der äußeren Erscheinung – diese Hysterie hervorruft. Zwei Dinge fallen mir sofort ein:

Diese Menschen fürchten nichts außer Allah. Sie verbiegen sich nicht, weil sie Angst vor schlechter Publicity oder Ärger mit der Politik haben. Sie kennen nur eine Richtschnur. Den Koran und die Sunna.

Und dann sagen sie Dinge, weil sie von ihrer Richtigkeit überzeugt sind, die ganz viele nicht hören wollen: über Tod, Hölle und Pflichten. Das ist uncool. Die Kirchen haben größtenteils ihre Aussagen schon weichgespült, nein, Hölle, das muss man nicht so wörtlich nehmen. Die Salafi aber sagen, doch, sehr wohl. Und sie tun damit etwas, was man ihnen furchtbar übel nimmt: sie zwingen zum Nachdenken über die eigene Lebensweise, den eigenen Glauben, die Folgen des eigenen Handelns.

DAS ist in meinen Augen das, was sie für viele zu einem so großen Feindbild macht, nicht so sehr die Vermutung, dass es gerade Menschen aus ihren Reihen sein könnten, die Terrorakte begehen. Das wäre ein ganz anderes Thema.

Aber jetzt, wo sie auch noch offensiv auf die Gesellschaft zugehen, wird es einigen offensichtlich völlig unerträglich, und wenn es kein Gesetz gegen das Verschenken des Koran gibt, dann sucht man verzweifelt nach anderen Methoden.

Ich habe tatsächlich überlegt, ob ich diesen Artikel online stelle. Schon wegen eines links auf diesem Blog wurde ich anderweitig als „Vogel-Anhängerin“ bezeichnet – in beschimpfender Absicht. Und obwohl ich das nicht bin, da ich in einigen Dingen grundlegend anderer theologischer Meinung bin, schreibe ich jetzt hier doch. Denn diesen Umgang mit muslimischen Geschwistern kann ich nicht schweigend dulden. Ohne mich. Meine Hoffnung ist, dass kein muslimischer Verband in Deutschland sich hier zu Schünemanns willigem Werkzeug machen lassen wird. Wer es tut, sollte wissen, er könnte der nächste sein. Also bitte: ohne uns.

 

Update:

Ich hätte es mir denken können. Innenminister Friedrich pfiff, sprich, er verlangte von der „Islamkonferenz“ eine „Distanzierung“, und die Herrschaften machten Männchen. Diejenigen, die womöglich das Rückgrad gehabt hätten, „NEIN“ zu sagen, hat er wohl schon alle ausgesperrt.

Grass und die unerwünschte Wahrheit

Günter Grass schrieb ein Gedicht. Und auch wenn ich, trotz anfänglicher Abneigung gegen den Stil, einige seiner Bücher schätzen gelernt habe, litararisch kann ich mit diesem nichts anfangen. Das mag, mangels Sachverstand, an mir liegen.

Aber an diesem Punkt endet meine Kritik, und trotz Details, über die man füglich diskutieren könnte, kann ich für den Inhalt und den Mut, dieses zu veröffentlichen, nur danken. Mut? Ja, denn wie man an der seit Mittwoch laufenden, zum Teil unsäglichen Diskussion allerorten sieht, bedarf es des Mutes, Israel in Deutschland hart zu kritisieren. Viel einfacher und sicherer ist es, Israel in Nibelungentreue beizustehen, egal, ob man Publizist, Literat, Kanzlerin oder einfacher Blogger ist.

Israel hat seit Jahren Atombomben. Sanktionslos. Iran ist noch am Bau der Atomkraftwerke – und wird ständig weiter in die Enge getrieben, noch dazu von Israel – und nicht nur von Israel – mit Krieg bedroht. Deutschland, das eigentlich keine Waffen in Krisengebiete liefern darf, verkauft (subvenitoniert) ein weiteres U-Boot an Israel, mit dem man Iran noch besser angreifen könnte. Aber wer das kritisiert, ist dann ein Antisemit.

Was jedoch, von der typisch deutschen Debatte ganz abgesehen, Grass noch mehr rechtfertigt, ist die Reaktion der israelischen Regierung: wüste Beschimpfungen, Einreiseverbot und nun die – mit Verlaub gesagt, dämliche – Forderung, ihm den Nobelpreis abzuerkennen. Dafür fielen mir ein paar geeignetere Kandidaten ein.

Der Verweis darauf, dass Grass als 17-jähriger bei der Waffen-SS gedient habe, mit dem Ziel, ihn als Alt-Nazi darzustellen, ist historisch blödsinnig, unehrlich – und wer das tut, sollte sich mit der Lebensgeschichte und dem Handeln seiner Kritiker befassen, vor allem den vor Wut schäumenden israelischen Ministern. Die haben alle mehr Menschenleben (von Zivilisten) auf dem Gewissen als Grass haben könnte – und sie waren dafür auch wirklich verantwortlich. Im Gegensatz zu einem 15-jährigen, der zuerst zur Flak geschickt und dann eine Waffe in die Hand gedrückt bekam.

Vollends ekelhaft wird es aber, wenn dann ein Broder nicht nur über Grass Gedicht eines seiner Hass-Pamphlete schreibt, sondern dann diejenigen verunglimpft, die Grass Recht geben. Wo bleibt der Aufschrei, wenn er o etwas schreibt? Gut, man kann Broder einfach als nicht ernst zu nehmen abhaken, was ich für gewöhnlich auch tue. Aber das hier ist wirklich zu viel.

Vernünftigere Reaktionen und Kritik las ich in der – in Deutschland meist nicht beachteten – israelischen Presse und Bloggerszene. Vor allem Gideon Levys Artikel sollte sich mancher in Deutschland gut durchlesen – Zitat:

Some years ago, after a critical article of mine was published in the German daily Die Welt, one of its editors told me: “No journalist of ours could write an article like that.” I was never again invited to write for that paper. For years, any journalist who joined the huge German media outlet Axel Springer had to sign a pledge never to write anything that casts aspersions on Israel’s right to exist. That is an unhealthy situation that ended with an eruption of exaggerated criticism like Grass’.

Grass is not alone. No less of a major figure, the great author Jose de Sousa Saramago opened the floodgates in his later years when, after a visit to the occupied territories, he compared what was going on there to Auschwitz. Like Grass, Saramago went too far, but his remarks about the Israelis should have been heeded: “Living under the shadow of the Holocaust and expecting forgiveness for everything they will do in the name of their suffering seems coarse. They have learned nothing from the suffering of their parents and their grandparents.”

After we denounce the exaggeration, after we shake off the unjustified part of the charge, we must listen to these great people. They are not anti-Semites, they are expressing the opinion of many people. Instead of accusing them we should consider what we did that led them to express it..

Aber Broder köpft lieber den Boten.

 

Nachtrag:

Im Rahmen einer fast endlosen Diskussion über einen Blogartikel Georg von Grotes im Freitag gab es einen Kommentar,  der sowohl Grass‘ Befassung mit dem Thema als auch die Überreaktion der israelischen Regierung noch aus einem anderen Winkel beleuchtet. Der Kommentator ist leider nicht per PN zu erreichen, ich übernehme den Kommentar hier als Zitat:

Kalin schrieb am 08.04.2012 um 16:08

Ich möchte nochmal auf Günter Grass zurückkommen und warum ich meine, dass es ihm ein wirkliches Bedürfnis gewesen sein könnte, die Wahrheit zu sagen.

Den Namen Mordechai Vanunu konnte ich hier nirgends lesen – oder habe ich ihn bei den vielen Beiträgen überlesen?

Der Völkerrechtler Prof. Norman Peach (siehe Link von „goch“ hat für die AG Friedensforschung Kassel einen Artikel verfasst, in dem es um israelische Atomwaffen geht und das Schicksal von Vanunu. Günter Grass war derjenige, der sich für Vanunu bei der israelischen Regierung für Hafterleichterungen eingesetzt hat: Er verbrachte nach einem geheimen Verfahren 11,5 Jahre in Isolationshaft und weitere 6,5 Jahre im Gefängnis.

www.ag-friedensforschung.de/themen/Friedenspreise/vanunu.html

Ich kann leider kein Datum für den Artikel von Prof. Paech finden. Er muss wohl aus 2003 stammen. Vanunu wurde 2004 aus dem Gefängnis entlassen – allerdings mit vollkommen außergewöhnlichen Auflagen, die bei Verstoß hart geahndet werden: Er darf Israel nicht verlassen, er darf nicht mit ausl. Journalisten reden, er darf sich keiner ausländischen Botschaft nähern, er darf kein Internet und Handy benutzen ……

Im Dezember 2010 sollte ihm die Ossietzky-Medallie in Berlin überreicht werden. Er durfte nicht ausreisen. Es war wieder u.a. Günter Grass, der sich bei der israelischen Regierung (vergeblich) für die Ausreise für Vanunu eingesetzt hat.
Hier kann man in Kurzform die Nach-Haftzeit oder wie man es nennen soll nachlesen:
de.wikipedia.org/wiki/Mordechai_Vanunu

Ich meine, dass das mit ein Grund ist/war, warum Grass mit nun 84 Jahren dazu etwas sagen musste.

Nun hat Israel ein Einreiseverbot für Grass verhängt. Es wird absurd.

Warum schreibt keine Zeitung über Vanunu? Warum wird so abgelenkt? Warum richtet der Vorstandsvorsitzende des Springer Verlages, Michael Döpfner, höchstpersönlich das Wort an die 4 Millionen Bild-Leser und teilt ihnen mit, Grass relativiere die Schuld der Deutschen am Holocaust, indem er die Juden zu Tätern mache.“
Warum geht es in den ganzen Diskussionen nicht um die israelischen Atomwaffen – von denen Grass sprach, sondern um Holocaust, die Schuld von Deutschen, um Deutschland überhaupt – so dass sich der Außenminister sogar zu einer öffentlichen Stellungnahme genötigt sieht?

Ich fand, dieser Hintergrund gehört doch dazu. Danke an den Kommentator.

Die Heuchelei des Entsetzens

Die Bundeskanzlerin besuchte Afghanistan. Warum eigentlich? Truppenbetreuung? Hatte ich mir anders vorgestellt.

Falls man ihre Worte für die Afghanen übersetzt hat, dürften sie wie Hohn geklungen haben. Sie sprach der afghanischen Regierung ihr Beileid zu den 16 Toten aus, die bei einem nächtlichen Angriff durch angeblich einen gestörten US-Soldaten ermordet wurden. Der Regierung, nicht den Familien. Was denkt sie sich eigentlich?

Und wenn ich im obigen Absatz „angeblich“ schreibe, dann deshalb, weil ich der verbreiteten Version wenig Glauben schenke. Tote Zivilisten sind ja nichts Neues, und nächtliche Überfälle auf Privathäuser auch nicht….

Hintergründe ist dem etwas genauer nachgegangen, dabei entstand ein lesenswerter Artikel. Ich nehme nur einen Absatz heraus, wer sich für das Thema interessiert, folge bitte dem link:

Genauso wenig überrascht es, wenn in Deutschland Kanzlerin und Außenminister, die ansonsten die Verbrechen der Besatzungskräfte verschweigen oder schönreden, und denen Worte des Bedauerns gegenüber den Angehörigen der Opfer dabei nur selten über die Lippen kommen, sich plötzlich „schockiert“ und „entsetzt“ zeigen.

Mit der Bezeichnung als „Amoklauf“ versucht Bundeskanzlerin Merkel die Tatsache zu übertünchen, dass es sich bei dem Massaker um den ganz normalen Wahnsinn handelt, in den die USA und ihre Hilfstruppen das Land gestürzt haben.

„Leider reiht sich diese Wahnsinnstat des Soldaten in eine Kette von Fehltritten ein, die das Vertrauen der Bevölkerung in die westlichen Streitkräfte schwer erschüttert hat“, kommentierte die Saarbrücker Zeitung und lieferte damit ungewollt eine Paradebeispiel für die Arroganz des Westens. (21)

Die Rückkehr des Blockwarts?

Noch schwelt der Streit um den unmöglichen Umgang mit der letzten „Muslim-Studie“, da fällt einem von Friedrichs Kollegen noch mehr ein: der niedersächsische Innenminister Schünemann fordert nunmehr die Bürger dazu auf, „auffällige“ Muslime zu melden. Und nicht nur die Bürger, sondern auch Schulen, Jugendämter, Ordnungsämter, Ausländerbehörden, Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge und Asylsuchende, Sozialverwaltungen und Finanzbehörden. Totalüberwachung von Muslimen.Vor allem gehe insbesondere Gefahr von gut integrierten Personen mit guter Ausbildung und Sprachkenntnissen aus.

Ja, es ist der gleiche Innenminister, der jahrelang sogenannte „verdachtsunabhängige Kontrollen“ vor Moscheen durchführen ließ. Das Parlament hatte große Mühe, ihn davon abzubringen. Erst sein Ministerpräsident  – Wulff, btw. – musste ihn anweisen, diese rechtswidrige Praxis einzustellen.

Jetzt wird, weil es bekannt geworden ist, über diese neue Idee von ihm diskutiert. Wie ich ihn einschätze, wird er sich nicht davon abbringen lassen – und wie ich die Lage in Deutschland einschätze, wird es viele geben, die dies als willkommene Einladung für Spitzeltätigkeit sehen.

Wird dem nicht nachdrücklich von allen Seiten Einhalt geboten, sehe ich das ohnehin vorhandene Misstrauen auf beiden Seiten sich zu Mauern in ungeahnter Höhe entwickeln. Müsste ich damit rechnen, von jedem, mit dem ich zu tun habe, bei jeder meinem Gegenüber unverständlichen Bewegung „gemeldet“ zu werden, könnte ich niemandem mehr trauen.

Herr Schünemann, mir graut vor Ihnen.

Mein Dank an das MiGazin für die Veröffentlichung. Der Artikel dort ist wie immer lesenswert.

Update:

Schünemann hatte ursprünglich behauptet, dieser Entwurf für eine Handlungsanweisung sei mit DITIB und Schura Niedersachsen abgestimmt. Ich hatte das hier unerwähnt gelassen, da ich es ohnehin nicht glaubte. MiGazin bringt nun die Stellungnahme der DITIB zu dieser Lüge in voller Länge. Sehr deutlich, und das von der DITIB.

Als wär’s ein Stück von mir

Manchmal lese ich etwas, und es trifft mich tief im Herzen. So ging es mir heute morgen mit Kübra Gümüsays Kolumne in der taz: Beobachtet. Sie beschreibt an drei Beispielsfällen aus ihrer Bekanntschaft, wie sich die Beobachtung von jungen Muslimen durch den Verfassungsschutz auf deren ganz normales Leben auswirkt. Sie hat dabei ganz simple Ereignisse ausgewählt, nichts besonders hartes. Keinen Fall wie den, über den ich vor kurzem schrieb. Die Kommentare sind teilweise gehässig, wie ich nicht anders erwartet hatte.

 

Es ist das Ergebnis eines langen Prozesses. In den achtziger, neunziger Jahren war es für niemanden ein Problem, sich in seiner Moschegemeinde, seinem Verein zu engagieren. Nach 2001 änderte sich das. Warnungen der Verbände verhallten ungehört – die Stigmatisierung völlig durchschnittlicher Vereinsmitglieder oder Moscheebesucher wurde fortgesetzt und verschärft. Jeder Aktive sah sich irgendwann vor die Wahl gestellt, seine Aktivitäten aufzugeben, zu verheimlichen oder die Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Welche Konsequenzen? Probleme bei Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder Einbürgerung, beim Nachzug des Ehegatten, bei der Arbeitssuche bis hin zu Kündigungen. Es gab sogar Kündigungen von Bankkonten – weil jemand quasi den falschen Namen hatte.

 

Viele nahmen und nehmen dies in Kauf. Sie sagen: wir fürchten nur Allah, nicht die Menschen. Dieses Statement, laut ausgesprochen, wird ihnen dann auch gerne wieder vorgeworfen. Ich respektiere jeden, der dies tut, kann aber die anderen auch nicht unbedingt verdammen.

 

Für die Älteren, wie für mich, war es hart, dem zusehen zu müssen. Gut ausgebildete, vorbildliche junge Muslime rannten gegen Wände. In einem Land, das viele von ihnen für IHR Land hielten.

 

Die Vereine und Moscheen kämpfen mit den Folgen dieser Entwicklung: trotz Mitarbeit werden viele nicht offiziell Mitglieder, um ihre Namen nicht bekannt geben zu müssen. Im Gegenzug wird dann den Verbänden vorgeworfen, sie verträten viel weniger Menschen als sie angeben.

Offizielles Auftreten, die Übernahme von Führungspositionen leisten sich nur die, die damit rechnen, dann „verbrannt“ zu sein. Dauerhaft, manchmal werden Dinge von vor zwanzig Jahren ausgegraben, um jemandem zu schaden.

 

Manchmal, wie einer von Kübras Fällen richtig schildert, reicht auch Verwandtschaft. Hier wurde die Sippenhaft wieder eingeführt. Daher überlegt sich mancher, mit wem er Kontakt haben will, mit wem nicht. Oder, wie ich, vermeidet Kontakte auch zu Freunden, um diese nicht zu belasten. Das wurde mir gestern aus anderem Anlass bewusst. Mich hat der Verfassungsschutz auf diese Weise zu viele Freunde gekostet: nicht, weil sie sich von mir abgewendet hätten, sondern weil ich sie nicht mehr anrief oder ihnen schrieb, um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen.

 

Um all dies zu dokumentieren, und auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat der Verfassungsschutz ausreichend Personal. Ergebnis der Beobachtung: keines. Seit fast zwanzig Jahren. Die sogenannten Erfolge haben alle nichts mit normalen Moscheevereinen zu tun, von zweifelhaften Anstiftern einmal ganz zu schweigen.

 

Aber in Deutschland herrscht Religionsfreiheit.