In Deutschland werden Korane verteilt und Hysterie geschürt. Würde ich es nicht sehen und lesen, ich könnte es nicht glauben. Da stehen Gruppen mit Tischen – ordentlich angemeldet – an Straßen und verschenken Bücher, keiner wird gezwungen, eines anzunehmen.
Trotzdem häufen sich die Zeitungsartikel, die versuchen, aus Politikern herauszukitzeln, wie man dieses schlimme Treiben beenden könnte, bis hin zu Aufrufen, die Bücher zu nehmen und zu verheizen. Letzteres ist schon hart am Rande des Zulässigen, eine Beschwerde beim Presserat läuft mit Sicherheit schon.
Und nun fordert der Innenminister Schünemann mal wieder. Diesmal keine Blockwarte, sondern ein „gemeinsames Handeln“ gegen die Salafi, die diese Aktion durchführen. Nicht genug, dass die Druckerei, die die Koranausgaben auf Bestellung der Verteiler herstellt, so lange unter Druck gesetzt wurde, bis sie den Auftrag „zurückgab“ (ich hoffe, das wird teuer), nein, jetzt soll noch über die „Islamkonferenz“ eine Front gegen die Salafi geschaffen, sich von ihnen distanziert, vor ihnen gewarnt, sie ausgegrenzt werden. Sie sind ein passendes Feindbild, ganz offensichtlich, und meist auch gut an ihrer Kleidung und ihrem Auftreten zu erkennen.
Gerade da aber würde ich an der Stelle ihrer Verfolger mal kurz innehalten: Kaftane, Bärte, Käppchen – war da nicht mal was?
Ich frage mich jedoch, was – außer der äußeren Erscheinung – diese Hysterie hervorruft. Zwei Dinge fallen mir sofort ein:
Diese Menschen fürchten nichts außer Allah. Sie verbiegen sich nicht, weil sie Angst vor schlechter Publicity oder Ärger mit der Politik haben. Sie kennen nur eine Richtschnur. Den Koran und die Sunna.
Und dann sagen sie Dinge, weil sie von ihrer Richtigkeit überzeugt sind, die ganz viele nicht hören wollen: über Tod, Hölle und Pflichten. Das ist uncool. Die Kirchen haben größtenteils ihre Aussagen schon weichgespült, nein, Hölle, das muss man nicht so wörtlich nehmen. Die Salafi aber sagen, doch, sehr wohl. Und sie tun damit etwas, was man ihnen furchtbar übel nimmt: sie zwingen zum Nachdenken über die eigene Lebensweise, den eigenen Glauben, die Folgen des eigenen Handelns.
DAS ist in meinen Augen das, was sie für viele zu einem so großen Feindbild macht, nicht so sehr die Vermutung, dass es gerade Menschen aus ihren Reihen sein könnten, die Terrorakte begehen. Das wäre ein ganz anderes Thema.
Aber jetzt, wo sie auch noch offensiv auf die Gesellschaft zugehen, wird es einigen offensichtlich völlig unerträglich, und wenn es kein Gesetz gegen das Verschenken des Koran gibt, dann sucht man verzweifelt nach anderen Methoden.
Ich habe tatsächlich überlegt, ob ich diesen Artikel online stelle. Schon wegen eines links auf diesem Blog wurde ich anderweitig als „Vogel-Anhängerin“ bezeichnet – in beschimpfender Absicht. Und obwohl ich das nicht bin, da ich in einigen Dingen grundlegend anderer theologischer Meinung bin, schreibe ich jetzt hier doch. Denn diesen Umgang mit muslimischen Geschwistern kann ich nicht schweigend dulden. Ohne mich. Meine Hoffnung ist, dass kein muslimischer Verband in Deutschland sich hier zu Schünemanns willigem Werkzeug machen lassen wird. Wer es tut, sollte wissen, er könnte der nächste sein. Also bitte: ohne uns.
Update:
Ich hätte es mir denken können. Innenminister Friedrich pfiff, sprich, er verlangte von der „Islamkonferenz“ eine „Distanzierung“, und die Herrschaften machten Männchen. Diejenigen, die womöglich das Rückgrad gehabt hätten, „NEIN“ zu sagen, hat er wohl schon alle ausgesperrt.
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