Polizistenmörder, Türkenmörder, Bombenleger

Ich hatte den unaufgeklärten Mord an der jungen Polizistin ohnehin für einen interessanten Fall gehalten, auch wenn seit der Entlarvung des „Phantoms“ als unsaubere Handhabung von Spurensicherungsmaterial es nicht mehr ganz so spannend schien. Als sich nun herausstellte, dass die zwei in einem Wohnwagen aufgefundenen Toten wohl die Mordwaffe in Besitzt gehabt hätten, dachte ich auch, gut, hat man sie, komisch, dass es da nie Spuren gab.

Danach kam die Meldung, dass auch die Waffe gefunden worden sei, mit der zwischen 2000 und 2006 insgesamt neun Menschen in Deutschland erschossen worden waren – lauter Männer, davon acht Türken und ein Grieche. Die Morde hatten Rätsel aufgegeben, die Polizei ermittelte, wie es hieß, in alle Richtungen. 2010 machte die ARD ein feature darüber, wo die Einzelheiten jeweils dargestellt sind. Aus den dortigen Aussagen der Polizisten geht hervor, dass man zunächst alle möglichen Ermittlungsansätze verfolgt habe, vor allem Familie, Mafia, Drogen – was eben für solche Leute typisch ist in den Augen der Polizei. Da war nur nichts. Dann kam man auch auf die Idee, es könne sich um einen einzelnen Rachetäter handeln, der aus irgendwelchen Gründen (Kind durch türkischen Drogenhändler umgekommen vielleicht) einen Hass auf genau diese Gruppe hatte und wahllos passende Opfer erschoss.

Nur in eine Richtung scheint man nicht ermittelt zu haben: Rechtsterrorismus. Gezieltes Abschießen türkischer Geschäftsleute durch Rechte, denen vielleicht gerade etwas erfolgreichere Migranten ein Dorn im Auge sind. Dieses Versäumnis hat schon länger in der türkischen Community immer mal für Beschwerden gesorgt, vor allem aber waren die Familien zu Recht verärgert, wenn auf den Toten der Verdacht hängen blieb, irgendetwas mit kriminellen Aktivitäten zu tun gehabt zu haben und daher quasi mit Schuld am eigenen Tod gewesen zu sein.

Aber Nazis – nein, auf die Idee wollte niemand kommen.

Als ich das gestern las, twitterte ich noch an einen Follower, dass mich das an Köln erinnere. Dort ging 2004 in einer von vielen Türken bewohnten Straße eine Nagelbombe hoch. Es gab 21 Verletzte, alles Türken oder Deutsche türkischer Herkunft. Die Polizei ermittelte, verhaftete mal zwei Figuren, musste die wieder laufen lassen, ermittelte weiter, natürlich auch am Liebsten in Richtung Milieu oder sonstige Kriminalität. Der damalige Innenminister hatte noch bevor Blut und Scherben von der Straße entfernt waren, verlauten lassen, es könne sich nur um Kriminelle handeln, ein Anschlag komme nicht in Frage.

In Anbetracht der „Ermittlungen“ war die Wut in der Straße groß.

Dann las ich heute, dass nunmehr auch in dieser Richtung weiter ermittelt wird: die beiden in Zwickau tot aufgefundenen Männer könnten auch für diesen Anschlag verantwortlich sein.

Wenn sich das als wahr herausstellen sollte, und falls tatsächlich die Erfolglosigkeit der Ermittlungen durch die Durchsetzung der rechten Szene mit V-Männern des Verfassungsschutzes zu tun haben sollte, wird das Folgen haben. Schon damals wurde der Grundstein dafür gelegt, dass bei dem Brand in Ludwigshafen die Türken den Ermittlern nicht trauten, die Türkei Beobachter schickte (was viele in Deutschland ganz fies fanden). Das Vertrauen war damals schon gering, aber je nachdem, wie diese Sache ausgeht, könnte es einen noch größeren Schlag geben.

Mich betrifft die Bombe persönlich – jemand, den ich sehr liebe, war nur zufällig an genau diesem Tag nicht an dem Ort. Nur, weil er nach Arbeitsende noch etwas zu erledigen gehabt hatte. Ich habe in der Straße gestanden, das Blut und die Scherben gesehen – und danach das Gewinde der Polizei miterlebt, von der viele Nachbarn sagten, denen sei weniger an der Feststellung des Bombenlegers gelegen als an sonstigen verwertbaren Ergebnissen bei der Durchkämmung der Nachbarschaft. Ich war damals sauer – heute sitze ich hier und bin einfach nur stinkwütend. Und ich bin bestimmt nicht die einzige.