Verfassungsschutz und Berufsverbot

Seit der Auffindung der beiden toten Neonazis in Zwickau wachsen überall die Zweifel an den diversen Verfassungsschutzbehörden.

Überall? Leider nicht.

 

Erst jetzt wies das Münchener Verwaltungsgericht die Klage eines jungen Lehrers auf Verbeamtung ab – und bezog sich, ebenso wie zuvor der Dienstherr, auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Der junge Mann „stehe islamistischen Organisationen“ nahe. Diese seien verfassungsfeindlich.

 

Das behaupten Verfassungsschützer, besonders die bayerischen, schon seit vielen Jahren, ohne dass es zu Verboten gekommen wäre – denn dazu reicht es offensichtlich doch nicht. Alle Arten von Schikanen, schlecht begründete Strafanzeigen, um massenhaft Hausdurchsuchungen durchführen zu können, erbrachten nichts, was in einem Verfahren geendet hätte.

 

Im Rahmen einer dieser Reihendurchsuchungen hat man wohl auch den Computer dieses jungen Mannes erfasst und darauf missliebige Dokumente gefunden. Zumindest steht solches nun in der Begründung.

 

Bewiesen ist  – mal wieder – fast nichts. Dass er Mitglied in der „Muslimischen Jugend Deutschlands“ ist, gibt er selbst an. Die aber ist keine verfassungsfeindliche Vereinigung. Trotzdem dürfte dort ein wesentlicher Grund liegen, warum man ihn nach Möglichkeit schikaniert. Auch Fereshteh Ludin war dort Mitglied. Nachdem man die weiblichen Mitglieder aus dem Lehramt entfernt, bzw. dort gar nicht erst zugelassen hat, sind nun die Männer dran. Auch als Warnung an junge Muslime: haltet euch von der MJ fern – oder ihr werdet es büßen müssen.

 

Die MJ ist bei vielen Islamfeinden so unbeliebt, weil gerade dort die muslimischen Jugendlichen gelehrt werden, ein wirklich islamisches Leben anzustreben – unabhängig von nationalen Traditionen. Ziel ist, junge Muslime zu erziehen, die sich zunächst als solche begreifen, nicht als Türken, Araber etc.

 

Erfolgreiche, gut deutsch sprechende, gebildete muslimische junge Menschen sind aber genau das, was gewisse Kreise zu verhindern suchen. Solche Vorbilder könnten ja noch viel mehr Nachahmer anziehen. Das fällt vor allem da auf, wo man dem Lehrer zum Vorwurf macht, sich besonders in der Jugendarbeit engagiert zu haben.

 

Und so nimmt man die zweifelhaften Aussagen von rechtsblinden Verfassungsschützern zum Anlass, solche Menschen in Deutschland zu schikanieren, zu diskriminieren und oft sogar zu bedrohen.

 

Nur, langsam wird es interessant: im Artikel des Spiegels wird mal wieder einem der Vereine, dem der junge Lehrer „nahestehen“ soll, ein Bezug zu den ägyptischen Muslimbrüdern vorgeworfen. Bislang war das ein absolutes no-go. Was wird aus diesem Vorwurf, wenn diese eventuell in ein paar Monaten die ägyptische Regierung stellen?

 

Die USA ziehen die Daumenschrauben an

Klar, die USA sind ziemlich pleite. Also spart man, und das geht ohne Verlust von Wählerstimmen am Einfachsten bei Zahlungen ins Ausland.

US Congress would impose restrictions on aid to Egypt, Pakistan and the Palestinian Authority in a $53.3 billion bill that avoids the deep cuts in foreign assistance that republicans had pursued this year.

Reflecting concerns about uncertainty within the Egyptian government, the bill would block the release of $1.3 billion in security assistance to Cairo and $250 million in economic assistance until the secretary of state makes several assurances to Congress.

She must certify that Egypt is abiding by a 1979 peace treaty with Israel and that military rulers are supporting the transition to civilian government with free and fair elections and “implementing policies to protect freedom of expression, association and religion and due process of law.”

The legislation also freezes aid to Pakistan until the secretary can certify that Islamabad is cooperating on counterterrorism, including taking steps to prevent terrorist groups such as the Haqqani network from operating in the country.

The aid amount was unspecified in the legislation as Congress gave the Obama administration flexibility to figure out the funds.

A separate defence bill would hold back $700 million for Pakistan until the defence secretary provides Congress a report on how Islamabad is countering the threat of improvised explosive devices.

The bill continues the existing restrictions on aid to the Palestinian Authority, requiring the secretary to certify that it is committed to peaceful co-existence with Israel and is taking appropriate steps to combat terrorism.

Economic assistance for the Palestinians is in jeopardy if they pursue statehood recognition in the United Nations over the objections of the United States and Israel, which wants to resume talks.“

 

Natürlich ist es das Recht jeden Parlaments, über die Verwendung ihrer Steuermittel zu entscheiden. Aber diese zur Erpressung einzusetzen, ist ein ziemlich starkes Stück.

Ach so: die Finanzhilfen an Israel bleiben natürlich ungekürzt und bedingungslos.

Linktips 4

Ein bitterer Artikel über getötete Irakische Kinder – mit Bild:

WikiLeaks: Iraqi children in U.S. raid shot in head, U.N. says

Die amerikanischen Angriffe auf Pakistan kosten zu viele Menschenleben und sind ein Akt des Terrors. Widerstand nun auch auf legalem Wege:

Hafiz Saeed files petition against drones strikes

Zum Weltflüchtlingstag interessante Zahlen – es sind ganz andere Länder, nicht Deutschland, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen.

Appell an die Innenminister

Und derzeit bleibt es dabei, das neue Ägypten ist mit finanzieller Beeinflussung vorsichtig – möge es so bleiben:

Egypt declines World Bank loan as incompatible with national interest

Der Bericht von CAIR über die steigende Islamophobie in den USA ist erschreckend und findet auch am Golf ein Echo.

Islamophobia on the rise in US, report says

Und diese Islamophobie wird gezielt finanziert:

REPORT: $42 Million From Seven Foundations Helped Fuel The Rise Of Islamophobia In America

 

Hochinteressante Auseinandersetzung der „Jüdischen Stimme“ mit der Haltung der LINKEN zum angeblichen Antisemitismus in ihren Reihen:

Die LINKE schafft sich selbst ab

Linktips 3

Meine links zu Themen über muslimisches Leben und dessen Beeinträchtigung in den USA vermehren sich. Sind das schon die ersten Anzeichen des Wahlkampfes 2012?

Etwas mehr Licht auf die neue Sharia-Diskussion in den USA

The sharia myth sweeps America

 

 

Dazu passen die Hearings des Kongressmanns King. Die erinnern einen ehemaligen Insassen eines amerikanischen Internierungslagers an böse Zeiten der amerikanischen Geschichte – der Mann hat meinen Respekt für diese offenen Worte:

Muslim hearings recall my life in internment camp

 

 

 

In San Francisco gibt es ernsthafte Bestrebungen, die Beschneidung von Jungen zu untersagen – ohne Rücksicht auf religiöse Pflichten. Dagegen gibt es nun eine Gesetzesinitiative im Kongress.

Congressman To Introduce Bill To Protect Male Circumcision Rights

 

Aber wehe, die USA wird kritisiert – so wie von Karzai, als er kürzlich bemerkte, dass für die afghanische Bevölkerung ihre sogenannten Befreier doch mehr wie Besatzer aussähen:

U.S. Ambassador warns Karzai over criticism of West

 

Auch Intervention in Form von Geld wird derzeit in Ägypten nicht nur gerne gesehen:

Egypt Opposes U.S.’s Democracy Funding

 

Ein vernünftiger Artikel über Syrien – und warum das nicht Libyen ist:

Who will take on Assad?

Ägypten – es geht weiter

Die ägyptische Revolution ist nicht mehr in den Schlagzeilen. Im Land macht sich durchaus Ernüchterung breit, sowohl mit der Übergangsregierung, als auch mit der Erkenntnis, dass man Demokratie nicht essen kann.

Trotz der Ablehnung der Armee, auf die Demonstranten zu schießen, kommt es zu Toten, Verhaftungen und sonstigen unschönen Vorfällen. Auch die halbherzige Öffnung Rafahs (heute wieder mal zu) erfüllt nicht die Erwartungen.

Unterdessen laufen Vorbereitungen zu Wahlen zum Parlament und Präsidenten. Heute gab es eine Runde Interviews mit Anwärtern auf das Präsidentenamt, leider habe ich noch keine passenden links – gab nur ein paar tweets.

Daneben gründen sich Parteien, um an der Wahl zum Parlament teilnehmen zu können. Auch da suche ich noch nach einem guten Überblick. Interessant, wenn auch von vielen Seiten äußerst misstrauisch beäugt, ist die Freedom and Justice Party. Sie wurde von der Muslimbruderschaft – die sich selbst nicht als politische Partei begreift – gegründet, soll deren Linie vertreten, aber eigentständig sein. 1% der Gründungsmitglieder sind Kopten, also Christen. Auch der derzeitige Vizepräsident der Partei, Rafiq Habib. Er ist ein in Ägypten bekannter Mann, auch Autor und Denker.

Die ägyptische Daily News hat ein Interview mit ihm geführt und der daraus entstandene Artikel ist sehr interessant – vor allem, wenn man bedenkt, wie wenig authentische Informationen gerade über die MB in Deutschland veröffnentlicht werden.

Zitate:

His decision to join the leadership of a party representing the ideologies and principles of the Muslim Brotherhood outraged and shocked the Coptic community.

“The problem is that the Christian community has a completely distorted image of the Islamic movement because of the former corrupt regime and its media,” he said.

As a result, most Copts believe that the role of Islamic movements in society and politics will deprive Copts of their basic rights, he added.

Most Copts consider Al-Qaeda the only model that represents Islamic groups, according to Habib.

He accused the former regime, which he described as “a tyrant secular regime,” of “hijacking” and exploiting Copts to fight against the Islamic movement in the political arena.

“After the January 25 Revolution, Copts are again being exploited by the secular elite against the Islamic movement.” This increases the rift between Copts and Muslims and compromises national unity, he added.

Habib pointed out the hypocrisy in exploiting the Coptic group to support the secular movement, “although [Copts] are a conservative group that don’t adopt or represent secular ideas or principles.”

He said that this was one of the main reasons he decided to join the FJP.

“This is the beginning of communication and building a bridge between Copts and the Islamic movement. … The gap and rivalry between Copts and the Islamic movement in general is an unnatural phenomenon and if it continues it will represent a danger to society.”

Habib refuted claims that the FJP was a theocratic religious party posing as a civil one to get around the law.

He explained that a religious party is one that calls for the rule of religious scholars or consists of followers of one specific religion or is based on the principle of the divine right to rule. These principles don’t apply to the FJP, according to Habib.

The FJP has 8,821 founding members across Egypt’s 27 governorates, including 978 women and 93 Copts. It is expected to start operating officially on June 17.

Habib stressed that the FJP has a political program that allows Copts to be influential leaders and members within the party.

Regarding cooperation between Salafi groups and the Muslim Brotherhood, Habib said that if the secular movement continued to launch media campaigns against the Islamic movements, this will force its diverse factions to unite instead of competing against each other in the political arena.

“I always describe the Brotherhood as a moderate wing inside the Islamic movement. The Salafi groups are more conservative than the Brotherhood and have different political views.”

He explained that Salafi groups are considered the right wing of the Islamic movements and include many factions, including extremist groups.

On May 1, the group announced that it will contest 45-50 percent of seats in the upcoming People’s Assembly elections slated for September.

The group repeatedly stated that it would not field a candidate in the next presidential elections and wouldn’t support any member who decides to run as an independent. MB senior member Abdel Moniem Aboul Fotouh announced earlier his intention to resign from the group and run for president. He was joined this week by Islamic preacher and lawyer Hazem Abu Ismail, who claimed to be a prominent MB figure, although the group denied that.

Habib said that these announcements put the group in a difficult position to maintain its credibility.

He added that the group implements a strict policy against members who defy its rules and expels them from the group. “That’s the only thing the group can do,” he said. “It can’t prevent any of its members from resigning and running in the presidential elections.”

Ich werde versuchen, diesen Artikel mit links zu vervollständigen – es wird sicher noch sehr interessant.

 

Unabhängigkeit für Al-Azhar?

Die Al-Azhar-Universität war seit Jahrhunderten für den sunnitischen Islam eine der wichtigsten Instanzen. Fatwas, Rechtsgutachten, ihrer Gelehrten, insbesondere des Großscheichs, beantworteten viele Fragen. Bis die ägyptische Regierung begann, politischen Einfluss auszuüben, sowohl bei der Besetzung der Stelle des Scheichs, als auch auf anderen Wegen. Das hatte zur Folge, dass die von dort kommenden Antworten in den letzten Jahren immer öfter den Ruch der politischen Opportunität hatten – manches hörte sich an wie Fatwa auf Bestellung.

Nun scheint die ägyptische Revolution auch hier die Spinnweben vertreiben zu wollen: für morgen Nachmittag ist eine große Demonstration für die Unabhängigkeit der Al-Azhar geplant. Gefordert wird, dass in Zukunft der Scheich wieder von den Gelehrten gewählt wird, als primus inter pares, nicht mehr von der Regierung nach deren Wünschen ernannt. Auch andere Änderungen sollen zugunsten einer größeren Selbstverwaltung wieder rückgängig gemacht werden.

Es wäre äußerst wünschenswert für den sunnitischen Islam, wenn in Zukunft die Al-Azhar wieder vertrauenswürdig werden könnte.

Ägypten, Samstag, 19.3.2011 – Referendum

Ein spannender Tag für Ägypten: heute soll über die im Eilverfahren ausgearbeiteten Verfassungsänderungen abgestimmt werden.

Seit Tagen ging es in der Diskussion hoch her – viele sagen, das sei zu schnell, man solle sich Zeit nehmen, eine ganz neue Verfassung auszuarbeiten, die Gegenseite argumentiert, diese Änderungen würden den Weg zu Neuwahlen möglich machen, so dass alles Weitere dann von ordentlich gewählten Gremien durchgeführt werden könnte.

Die wichtigsten Änderungen:

  • Candidates will have three ways to get on the presidential ballot: nomination by a party with at least one parliamentary seat; endorsement by 30 members of the parliament; or attainment of 30,000 signatures of citizens eligible to vote.
  • The president will serve for four years and be limited to two terms.
  • The president will be obligated to appoint at least one vice president.
  • The judiciary is returned to active supervision of elections and will be the final arbiter of the validity of legal challenges to results.
  • The president or half of the members of parliament may call for a new constitution and a 100-member assembly can be convened to draft a new constitution.
  • The president may declare a state of emergency with parliamentary approval; any extension beyond six months would require approval in a public referendum.
  • An article setting aside constitutional human rights provisions in terrorism cases will be removed entirely.

www.carnegieendowment.org/publications/index.cfm?fa=view&;;id=42817#

In diesem link sind anschließend die vorgeschlagenen Änderungen im Einzelnen diskutiert.

Interessanterweise wollen sowohl El-Baradei als auch Amr Moussa mit „Nein“ stimmen – ob sich beide bessere Chancen ausrechnen, wenn zuerst der Präsident gewählt wird, und dann die neue Verfassung kommt?

Was aber auch bei gegenteiligen Ansichten durchscheint, ist die Begeisterung, mit der die Änderungen kontrovers diskutiert werden. Gerade die, die maßgeblich an der Revolution beteiligt waren, finden es gut, eine Wahl zu haben – und dass man verschiedener Meinung sein kann.

Es gibt auch weiter bedenkliche Nachrichten, gerade vom Verhalten der Armee, die Leute verhaften soll. Manches finde ich schwer einzuordnen. Insgesamt aber überwiegt derzeit eher die Hoffnung auf bessere Zeiten.

 

Mehr dazu aus Ägypten z.B.:

egyptianchronicles.blogspot.com/2011/03/few-hours-to-big-moment.html

www.arabist.net/blog/2011/3/17/referendum-around-the-corner.html

Die dunkle Seite des „Heldentums“

Gerade in den arabischen Ländern, aber auch anderswo, ist die Freude über die Flucht des tunesischen Diktators groß. Wie es weiter geht, bleibt abzuwarten, die neue Regierung mit sehr viel alten Gesichtern wirkt auf viele ebensowenig vertrauenerweckend wie auf mich, wenn ich die Kommentare richtig lese.

Auslöser der Demonstrationen, die zu diesem insgesamt erfreulichen Umsturz – wenn er denn einer bleibt – führten, war die Selbstverbrennung eines jungen Mannes. Er wird von vielen als Held gefeiert. Bedauerlicherweise findet er in anderen Ländern, so wie gestern in Mauretanien und Ägypten, Nachahmer.

Ist diese Art des Selbstmordes wirklich lobenswert, eine Heldentat? Gestern abend gab es über Twitter eine Debatte, weil ein Tweet sagte, ungeachtet der posiviten Folgen, Selbstmord ist für Muslime eine Sünde. Darüber empörten sich einige, auch Mona Elthahwy. Nur: der andere hatte recht. Auch hier heiligt der Zweck nicht die Mittel. Dieser junge Mann warf nicht nur sein Leben fort, er beging dabei eine große Sünde. Ob er sich dabei dachte, er könne die Menschen zwingen, etwas zu ändern, oder ob er Allah selbst trotzen wollte – wir wissen es nicht. Jedenfalls weigerte er sich, Allah weiter zu gehorchen. Und daher ist er alles mögliche, aber kein Held. Um so schlimmer, dass andere ihn nachahmen. Ich hoffe, dass in jeder Moschee, in jeder Freitagspredigt, dagegen protestiert wird.

Danach ging – wie zu erwarten war – die Diskussion am Thema weiter, dass es doch auch Selbstmordattentäter gebe – und Fatwas, die sie zuließen. Darüber kann man verschiedener Meinung sein. Der Unterschied ist jedoch in jedem Fall, dass jedesmal Kampf die Absicht ist – nicht die Beendigung des eigenen Lebens, nur um ein Statement abzugeben. Dass manche Gelehrten dies als erlaubt ansehen, liegt u.a. daran, dass sie argumentieren, dass der Schwächere, der sich mit einer Mehrheit an Feinden anlegt, auch wenn er das eigene dabei riskiert, nicht als Selbstmörder zu verdammen ist. Dem kann ich mich anschließen – aber das gilt eben für diese Art von Selbstmord nicht – das bleibt eine Sünde und ich hoffe und bete, dass es nicht noch mehr Menschen gibt, die meinen, diesen Weg gehen zu müssen.

Nachtrag: während ich dies schreibe, kommt die Meldung, dass es in Ägypten den dritten Selbstmörder gab.

 

Unruhiges Nordafrika

Seit der Selbstverbrennung eines jungen Mannes in Tunesien gärt es gerade in den beiden Ländern Tunesien und Algerien. Selbst bis in die deutschen Medien sind die Nachrichten inzwischen gedrungen, trotz der Versuche vor allem der tunesischen Regierung, möglichst wenig über die Demonstrationen und Proteste nach außen dringen zu lassen.  Kommunikationsmittel werden gesperrt, inzwischen wurden vor allem Schulen und Universitäten geschlossen. Denn diese Revolte ist die der Jugend, die sieht, dass die Regierung sie in eine aussichtslose Zukunft schickt und ihren Problemen gleichgültig gegenüber steht.

Diese Revolte ist nicht vom Ausland angezettelt – und über ihre Unterdrückung, mit inzwischen bis zu 50 Toten, wird nur zögerlich berichtet. Hier sitzen Regimes, die der Westen stützt. Die will man nicht desavouieren, Frankreich, heißt es, unterstütze Ben Ali auch weiterhin. Im Gegensatz zum iran, wo man sofort mit dem Verdacht auf Wahlfälschung zur Hand war, störte sich bei Tunesien kaum ein westlicher Politiker am völlig unglaubwürdigen Wahlergebnis zugunsten des tunesischen Präsidenten.

Das könnte sich jetzt rächen. Sowohl in Tunesien, als auch in Algerien, ebenso wie in Ägypten, wächst eine Generation heran, die jeweils über die Hälfte der Bevölkerung stellt und die unter ihren alten Regierungen nichts zu verlieren, ohne sie aber alles zu gewinnen hat. Der Westen wird sich fragen müssen, mit welcher Berechtigung er weiter marode, unfähige Diktaturen stützt, die in keiner Weise die anderswo verlangten Standards erfüllen, lediglich die westliche Paranoia gegen islamisch regierte Staaten bedienen. Das mindeste wäre, gegen die Repressionen ebenso zu protestieren, wie man es bei anderen Staaten tut.

Nahöstliches Säbelrasseln

Ein wenig im Windschatten der Flottilla verschwand die Meldung, dass Israel atomraketenbestückte U-Boote in den arabischen (in Europa nennt man ihn den persischen) Golf verlegt hätte. U-Boote deutscher Herkunft, im Übrigen.

http://www.jpost.com/IranianThreat/News/Article.aspx?id=176874

http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3896024,00.html

Bereits die Rhetorik im Vorfeld sowie das Verhalten der USA gefallen mir, und damit bin ich hier in der Gegend nicht alleine, gar nicht. Zwischendurch kam eine Meldung, dass angeblich Saudi-Arabien Israel für einen Angriff auf den Iran den Überflug erlauben würde. Die Meldung wurde umgehend dementiert, ich denke auch nicht, dass die saudische Regierung so lebensmüde wäre. Nun lese ich heute, dass erhebliche Waffenlieferungen getätigt werden

http://www.voltairenet.org/article165955.html

und eine Flotte von zwölf Kriegsschiffen, davon mindestens ein israelisches, durch den Suez-Kanal Richtung Rotes Meer liefen. Zwar wurde der Kanal von ägyptischen Soldaten bewacht und die Arbeit der Fischereiflotte beschränkt, aber bekannt wurde der Fakt doch. Die ägyptische Opposition ist mit dieser Beihilfe zu einem Angriff auf den Iran gar nicht glücklich.

http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/report-u-s-israeli-warships-cross-suez-canal-toward-red-sea-1.297068

http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-3907387,00.html

Schon die Ablehnung des braslianisch-türkischen Vermittlungsvorschlags hatte mich äußerst misstrauisch gemacht. Dass Israel, natürlich unkontrolliert, die einzige Atommacht in der Region bleiben will, kann ich ja verstehen – aber dafür mutwillig einen Krieg vom Zaun brechen zu wollen, dazu muss man schon ziemlich rücksichtslos sein – auch gegenüber der eigenen Bevölkerung. Natürlich, der Iran ist bei seinen überwiegend sunnitischen Nachbarn nicht so sehr beliebt. Aber ein Angriff eines anderen Staates, und nun ausgerechnet von Israel und den USA, die hier auch nicht gerade sonderlich wohl gelitten sind – das wäre für die gesamte Gegend ein größerer Schlag, als man sich das in Europa oder gar den weit entfernten USA denken will. Falls man dort noch denkt.