Die Rückkehr des Blockwarts?

Noch schwelt der Streit um den unmöglichen Umgang mit der letzten „Muslim-Studie“, da fällt einem von Friedrichs Kollegen noch mehr ein: der niedersächsische Innenminister Schünemann fordert nunmehr die Bürger dazu auf, „auffällige“ Muslime zu melden. Und nicht nur die Bürger, sondern auch Schulen, Jugendämter, Ordnungsämter, Ausländerbehörden, Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge und Asylsuchende, Sozialverwaltungen und Finanzbehörden. Totalüberwachung von Muslimen.Vor allem gehe insbesondere Gefahr von gut integrierten Personen mit guter Ausbildung und Sprachkenntnissen aus.

Ja, es ist der gleiche Innenminister, der jahrelang sogenannte „verdachtsunabhängige Kontrollen“ vor Moscheen durchführen ließ. Das Parlament hatte große Mühe, ihn davon abzubringen. Erst sein Ministerpräsident  – Wulff, btw. – musste ihn anweisen, diese rechtswidrige Praxis einzustellen.

Jetzt wird, weil es bekannt geworden ist, über diese neue Idee von ihm diskutiert. Wie ich ihn einschätze, wird er sich nicht davon abbringen lassen – und wie ich die Lage in Deutschland einschätze, wird es viele geben, die dies als willkommene Einladung für Spitzeltätigkeit sehen.

Wird dem nicht nachdrücklich von allen Seiten Einhalt geboten, sehe ich das ohnehin vorhandene Misstrauen auf beiden Seiten sich zu Mauern in ungeahnter Höhe entwickeln. Müsste ich damit rechnen, von jedem, mit dem ich zu tun habe, bei jeder meinem Gegenüber unverständlichen Bewegung „gemeldet“ zu werden, könnte ich niemandem mehr trauen.

Herr Schünemann, mir graut vor Ihnen.

Mein Dank an das MiGazin für die Veröffentlichung. Der Artikel dort ist wie immer lesenswert.

Update:

Schünemann hatte ursprünglich behauptet, dieser Entwurf für eine Handlungsanweisung sei mit DITIB und Schura Niedersachsen abgestimmt. Ich hatte das hier unerwähnt gelassen, da ich es ohnehin nicht glaubte. MiGazin bringt nun die Stellungnahme der DITIB zu dieser Lüge in voller Länge. Sehr deutlich, und das von der DITIB.

9 Antworten

  1. Grauen ist kein geeignetes Mittel. Ich sehe eben die aktuelle Stunde im Bundestag, das erklärt fast alles. Das ist nicht Schünemann, das ist eine Gesinnung – weit verbreitet und gefährlich.

  2. Womit du recht hast. Ich frage mich manchmal, wird es wirklich so rapide übler, wie es mir scheint oder liegt das daran, dass ich quasi von außen betrachte?
    Die aktuelle Stunde läuft bei mir nicht – so schlimm?

  3. Ja, war sehr heftig. Einige Abgeordnete haben mal wieder Rechts- und Linksextremismus gleichgesetzt, die Morde kleingeredet, und Frau Schröder ist in Tunis. Ganz toll.

    Ich will nicht sagen, dass alle so sind (den Polenz fand ich sehr vernünftig, upps). ABer zu viele sind so, und sie fallen extrem auf.

  4. All das soll und kann ich dann in Zukunft melden ? Na klasse,spätestens nach der ca 22. und vom Beamten gefühlten 355 verdächtigen, alleine von mir gemeldeten Beobachtung wird unser Polizeiposten verammelt um sich vor mir und der ungewohnten Arbeit zu schützen. Außerdem könnte ich mich ja auch noch täglich selbst anzeigen.Und immer mit einem ärztlichen Attest in der Tasche, daß ich nicht übergeschnappt, sondern ein guter Staatsbürger bin.
    Stellt Euch das alles bitte einmal praktisch vor. Ja, es würde wohleifrige Denunzianten geben. Und es würde überquellende Papierkörbe in Beamtenstuben geben, was heißt Körbe, Container müßten aufgestellt werden.
    Nach spätestens 14 Tagen muss die Industrie quer durch die Republik Kurzarbeit anmelden, weil Angestellte und Arbeiter vor den Polizeiposten für Vernehmungen Schlange stehen. Damit die Wirtschaft nicht vollkommen zusammen bricht müssen aus bis dato verschmähten Drittländern ruckzuck Arbeitskräfte eingeflogen werden.

    Ihr werdet mir jetzt sagen, das sei kein Thema um zu lachen, das sei schlimm und ernst.
    Zu Herrn Schünemann, dem ich jetzt mal das Attribut Herr abspreche, passt aber der alte und noch immer gültige Spruch, Lächerlichkeit tötet.
    Man erweist ihm viel zuviel der Ehre, wenn es einem vor ihm graut, denn das möchte er so gerne. Aber alleweil bleibt ein Narr ein Narr und ein närrischer Narr hat es wahrhaftig nicht verdient, daß man seine kruden Gedankengänge ängstlich betrachtet.

  5. Ein Stück weit hast du natürlich recht, Alex. Aber wenn du dir meine letzten Beiträge zum Thema Beobachtung anschaust, kannst du vielleicht verstehen, dass uns Betroffenen das Lachen schwer fällt. Es wird ohnehin schon viel gespitzelt, und diese „Handreichung“ würde bestimmten Kreisen Tor und Tür öffnen. Ebenso schlimm ist aber das Misstrauen, was gesät wird. Gestern schrieb ich über Misstrauen im Allgemeinen hier in einem Kommentar – kannst du dir vorstellen, jeden Tag, egal, ob am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft, zu überlegen, ob dein nächstes Wort dir vielleicht wieder freundlichen Besuch einbringt? Bei jedem Telefonat dich zu fragen, wer jetzt mithört?
    Schünemann ist immer noch Innenminister. Daher sind seine kruden Gedankengänge leider nicht so einfach vom Tisch zu wischen. Jahrelang hat er Muslime mit seinen Moscheekontrollen terrorisiert. Jetzt will er das praktisch ausweiten.

  6. „kannst du dir vorstellen, jeden Tag, egal, ob am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft, zu überlegen, ob dein nächstes Wort dir vielleicht wieder freundlichen Besuch einbringt? Bei jedem Telefonat dich zu fragen, wer jetzt mithört?“

    das kann ich mir gut vorstellen, und so ist es auch bei mir. Und der „freundliche Besuch“ ist bislang ausgeblieben. Bitte habt nicht so viel Angst. Angst essen Seele auf 😉

  7. Ich weiß, du gehörst da sicher mit zu den Spezialisten 😉
    Keine Angst, ok. Aber das ständige Gefühl der geöffneten Privatsphäre ist für mich das größere Problem. Sicher, jeder sieht das anders.

  8. Hm…der Bundestrojaner lässt grüßen.

  9. […] Die Rückkehr des Blockwarts? […]

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