Nicht mein Land

Das sagen immer mehr vor allem junge Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland und verlassen es, wenn sie können. Auch Semya Imek, die heute bei der Trauerfeier für die von der NSU Ermordeten eine bemerkenswerte Rede hielt.

Sowohl sie als auch die anderen Hinterbliebenen haben sich diese Art der öffentlichen Trauer höflich gefallen lassen – aber das ist keine Entschädigung für zehn Jahre Misstrauen und Schande. Die Narben bleiben, nicht nur bei den Überlebenden von Köln, sondern unsichtbar auch bei den Angehörigen der Ermordeten. Ob sie jemals die Genugtuung haben werden, dass, nachdem die vermutlichen Täter tot sind, auch die zur Rechenschaft gezogen werden, die durch ihren Rassismus jahrelang ihr Leben zerstört haben?

Gerade musste ein Bundespräsident wegen Vorwürfen zurücktreten, die zwar schlimm genug sind, aber keine Menschen verletzt haben. Von den Ermittlern und Vertuschern in diesen Mordfällen hat noch keiner Konsequenzen gesehen. Das gibt der Trauerfeier einen hohlen Klang – der nicht verbessert wird, wenn dort ein Präsidentenkandidat sitzt, der gegen diese Feier war.

Semya geht. Ich wünsche ihr viel Frieden.

Oury Jalloh – war es Mord?

Im Januar 2004 verbrannte Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam, hilflos und gefesselt. Die Frage, ob er sich selbst angezündet habe, ob es Mord war, oder vielleicht unterlassene Hilfeleistung, beschäftigt noch immer die Gerichte, nachdem vor einem Jahr der BGH die skandalösen Freisprüche aufgehoben hat.

Ich habe über den Fall hier schon öfter berichtet.

Morgen, am 9.1.2012, wird der Prozess gegen die Polizeibeamten fortgesetzt, ein – neues – Urteil soll am 19.1.2012 verkündet werden, wie ich einer Pressemitteilung entnahm.

Gestern, zum Todestag, gab es eine Demonstration in Dessau, die wieder mit Polizeigewalt endete. Einer der härtesten Verteidiger Jallohs, Muhtar Bah, der schon oft unter Repressalien zu leiden hatte, musste ins Krankenhaus. Die Dessauer Polizei hat nichts hinzugelernt, wie es scheint.

(Dessau, 7.1.12) Die friedliche Demonstration, die an den siebten Todestag, des in Polizeigewahrsam in Dessau zu Tode verbrannten Afrikaner Oury Jalloh, erinnern sollte, artete in einer unprovozierten Gewaltorgie der Polizei aus. Dabei wurden zahlreiche Demonstranten verletzt. Mouctar Bah, Initiator der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, wurde mehrmals von der Polizei geschlagen. Zum Ende der Kundgebung wurde er von mehreren Polizisten angegriffen, woraufhin er bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Am Anfang der Demonstration versuchte die Polizei gewaltsam die Verwendung des Begriffs „Oury Jalloh, das war Mord“ zu verbieten. Die Demonstranten weigerten sich und bezogen sich auf ihr Grundrecht der Meinungsfreiheit und entsprechende Gerichtsurteile, was die Polizei nicht akzeptierte. Nachdem ihr Versuch scheiterte, das Transparent gewaltsam zu entfernen, fing die Polizei mit Provokationen und Angriffen an, trotz der friedlich verlaufenden Demonstration. Für die Demonstranten schienen die polizeiliche Provokation und Angriffe ohnehin geplant zu sein. Es wurden gezielt Aktivisten ohne ersichtlichen Grund provoziert und geschlagen. Mouctar Bah und vielen Demonstranten wurde unvermittelt ins Gesicht geschlagen und u.a. an Nasen und Augen verletzt. Bei der Schlusskundgebung wurde Mouctar Bah von mehreren Polizisten zu Boden gerissen und geschlagen, sodass er bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Er ist im Krankenhaus geblieben.

Warten auf das Urteil. Wie weit es ist eigentlich von Dessau nach Zwickau oder Jena?

Polizistenmörder, Türkenmörder, Bombenleger

Ich hatte den unaufgeklärten Mord an der jungen Polizistin ohnehin für einen interessanten Fall gehalten, auch wenn seit der Entlarvung des „Phantoms“ als unsaubere Handhabung von Spurensicherungsmaterial es nicht mehr ganz so spannend schien. Als sich nun herausstellte, dass die zwei in einem Wohnwagen aufgefundenen Toten wohl die Mordwaffe in Besitzt gehabt hätten, dachte ich auch, gut, hat man sie, komisch, dass es da nie Spuren gab.

Danach kam die Meldung, dass auch die Waffe gefunden worden sei, mit der zwischen 2000 und 2006 insgesamt neun Menschen in Deutschland erschossen worden waren – lauter Männer, davon acht Türken und ein Grieche. Die Morde hatten Rätsel aufgegeben, die Polizei ermittelte, wie es hieß, in alle Richtungen. 2010 machte die ARD ein feature darüber, wo die Einzelheiten jeweils dargestellt sind. Aus den dortigen Aussagen der Polizisten geht hervor, dass man zunächst alle möglichen Ermittlungsansätze verfolgt habe, vor allem Familie, Mafia, Drogen – was eben für solche Leute typisch ist in den Augen der Polizei. Da war nur nichts. Dann kam man auch auf die Idee, es könne sich um einen einzelnen Rachetäter handeln, der aus irgendwelchen Gründen (Kind durch türkischen Drogenhändler umgekommen vielleicht) einen Hass auf genau diese Gruppe hatte und wahllos passende Opfer erschoss.

Nur in eine Richtung scheint man nicht ermittelt zu haben: Rechtsterrorismus. Gezieltes Abschießen türkischer Geschäftsleute durch Rechte, denen vielleicht gerade etwas erfolgreichere Migranten ein Dorn im Auge sind. Dieses Versäumnis hat schon länger in der türkischen Community immer mal für Beschwerden gesorgt, vor allem aber waren die Familien zu Recht verärgert, wenn auf den Toten der Verdacht hängen blieb, irgendetwas mit kriminellen Aktivitäten zu tun gehabt zu haben und daher quasi mit Schuld am eigenen Tod gewesen zu sein.

Aber Nazis – nein, auf die Idee wollte niemand kommen.

Als ich das gestern las, twitterte ich noch an einen Follower, dass mich das an Köln erinnere. Dort ging 2004 in einer von vielen Türken bewohnten Straße eine Nagelbombe hoch. Es gab 21 Verletzte, alles Türken oder Deutsche türkischer Herkunft. Die Polizei ermittelte, verhaftete mal zwei Figuren, musste die wieder laufen lassen, ermittelte weiter, natürlich auch am Liebsten in Richtung Milieu oder sonstige Kriminalität. Der damalige Innenminister hatte noch bevor Blut und Scherben von der Straße entfernt waren, verlauten lassen, es könne sich nur um Kriminelle handeln, ein Anschlag komme nicht in Frage.

In Anbetracht der „Ermittlungen“ war die Wut in der Straße groß.

Dann las ich heute, dass nunmehr auch in dieser Richtung weiter ermittelt wird: die beiden in Zwickau tot aufgefundenen Männer könnten auch für diesen Anschlag verantwortlich sein.

Wenn sich das als wahr herausstellen sollte, und falls tatsächlich die Erfolglosigkeit der Ermittlungen durch die Durchsetzung der rechten Szene mit V-Männern des Verfassungsschutzes zu tun haben sollte, wird das Folgen haben. Schon damals wurde der Grundstein dafür gelegt, dass bei dem Brand in Ludwigshafen die Türken den Ermittlern nicht trauten, die Türkei Beobachter schickte (was viele in Deutschland ganz fies fanden). Das Vertrauen war damals schon gering, aber je nachdem, wie diese Sache ausgeht, könnte es einen noch größeren Schlag geben.

Mich betrifft die Bombe persönlich – jemand, den ich sehr liebe, war nur zufällig an genau diesem Tag nicht an dem Ort. Nur, weil er nach Arbeitsende noch etwas zu erledigen gehabt hatte. Ich habe in der Straße gestanden, das Blut und die Scherben gesehen – und danach das Gewinde der Polizei miterlebt, von der viele Nachbarn sagten, denen sei weniger an der Feststellung des Bombenlegers gelegen als an sonstigen verwertbaren Ergebnissen bei der Durchkämmung der Nachbarschaft. Ich war damals sauer – heute sitze ich hier und bin einfach nur stinkwütend. Und ich bin bestimmt nicht die einzige.

Lange ungestraft – und nun, Herr Sarrazin?

Die Tagesschau meldet:

Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin hat erneut für Empörung gesorgt. „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden“, sagte Sarrazin der „Welt am Sonntag“ und „Berliner Morgenpost“.

Das unterscheidet sich ja nur wenig von seinem sonstigen dummen Gepöbel. Und bisher blieben ja alle Beleidigungen und Hetzereien folgenlos, trotz endloser Diskussionen, aus denen aber vor allem hervorging, wie viele klammheimlich ihm Beifall spenden.

Und nun? Es ehrt den Zentralrat der Juden, dass er schon vor diesem Ausfall eindeutig Stellung gegen Sarrazin bezogen hat. Dort hat man offensichtlich vorausgeahnt, dass er nicht bei den Muslimen halt machen würde.

Ich gehe davon aus, dass dieser Satz ihn mehr kosten wird als ein bisschen „du,du“. Doch genau das wird mich dann wirklich beleidigen. Denn damit würde bewiesen, dass Muslime – und Arme – folgenlos beleidigt werden, gegen sie gehetzt werden darf. Konsequenzen gibt es jedoch erst, wenn jemand so unvorsichtig ist, und auch gegen Juden pöbelt.

Warten wirs ab.

Burka – die Gehirnwäsche wird fortgesetzt

Der Focus schreibt mal wieder einen anti-Burka Artikel, nachdem eine Umfrage ergeben habe, dass in einigen europäischen Ländern die Bevölkerung mehrheitlich für ein Burka-Verbot sei, und zwar

in Frankreich 82 %

in Deutschland 71 %

in Spanien 60 %

in England 60%

Interessanterweise stammen die Zahlen von einem amerikanischen Research-Institut, das für Amerika nur eine Zustimmung von 28 % für ein solches Verbotsgesetz angibt. Sollten die Zahlen stimmen, sind sie ein guter Beweis dafür, wie weit die dauernde Gehirnwäsche bestimmter Medien und rechter Kreise die Bevölkerung schon beeinflusst hat.

Das mit einem solchen Gesetz massiv in Grundrechte der betroffenen Frauen eingegriffen wird, nur um den dies Gesetz fordernden einen ihnen unangenehmen Anblick zu ersparen, scheint völlig egal. Grundrechte für Muslime? Nee, nich?

Welcher Anblick muss dann als nächstes verboten werden? Und was wird den Muslimen als nächstes untersagt?

Sieh hin, Israel: Gazas Kinder leiden unter der Blockade!

In einem Video beschreibt Al-Jazzera Reporterin Nicole Johnson die Folgen der Blockade des Gaza-Streifens für die Kleinsten. Die meisten Eltern – 80% sind von Lebensmittelhilfen abhängig – können sich über die knappe Versorgung durch die UNRWA nicht genug Lebensmittel leisten, um für die Kinder ausreichend qualitätsvolle Nahrung zu haben. Das führt zu Wachstumsverzögerungen und anderen Schäden. Eine stille Art des Völkermords.

Berichte wie die, die dann im Rahmen der israelischen Desinformationskampagne anlässlich der Flotilla zu lesen waren, dass es keine Versorgungsprobleme in Gaza gäbe, klingen angesichts dessen wie purer Hohn – eigentlich unter der Würde einer zivilisierten Nation, sich so zu benehmen. Die Israelis, die das ebenso sehen, aber offensichtlich eine Minderheit sind, können mir nur leid tun.

Oury Jalloh – der fünfte Todestag

Am 5. Januar 2010 wird sich der grausame Tod des in seiner Zelle im Polizeigewahrsam der Stadt Dessau verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh zum fünften Male jähren.

Am gleichen Tag beabsichtigt der BGH, über die Revision gegen die Freisprüche der wegen seines Todes angeklagten Polizeibeamten zu entscheiden. Das Datum sei ein Zufall, so der BGH, es tue ihnen leid.

Nachdem wohl in der gestrigen Verhandlung zwar scharf nachgefragt wurde, jedoch gleichzeitig Freunde und Verwandte des Toten darauf hingewiesen wurden, dass die Revision ein Urteil nur wegen Rechtsfehlern, nicht aber wegen Fehlern in der Beweisaufnahme aufheben kann, befürchte ich, dass der BGH keinen ausreichenden Grund zu einer Änderung finden wird. Schon der erstinstanzliche Richter hatte sich beim Versuch der Aufklärung viel Mühe gegeben, dann aber in der mündlichen Begründung sein Unverständnis gegenüber den offensichtlich abgesprochenen Falschaussagen der beteiligten Polizeibeamten, die ein gerechtes Urteil kaum möglich machten, geäußert. Hier steht die Phalanx der Polizeisolidarität. Auch der BHG wird sich schwer tun, daran etwas zu ändern.

Das ganze wäre sicher noch viel besser vertuscht worden, hätte nicht ein Freund des Toten, Mouctar Bah, ohne Rücksicht auf die Gefährdung seiner Existenz und seiner Person, immer wieder auf Aufklärung gedrängt. Er erhielt dafür vor einigen Tagen zusammen mit dem Kapitän der Cap Anamur die Carl-von-Ossietzky-Medaille.

Bereits vor ca . einem Jahr war der Fall auf meinem blog hier Thema: Tod-eines-vaters

Ein längerer Artikel erschien gestern anlässlich der mündlichen Revisionsverhandlung im FOCUS.

FPÖ kämpft gegen Zuwanderung und Islamismus

… und verschickt reizende Briefe, die halt nur manchmal an den falschen geraten. Wie z.B. an Karl Pfeifer. Der verfasste dazu einen wirklich lesenswerten Artikel, den ich jetzt bei hagalil wieder fand – die Quelle, wo er ursprünglich war, zeigt ihn nicht mehr.

Da schaute ich mir gleich an, was denn die FPÖ Abgeordneten im Parlament gegen die Zuwanderung und den Islamismus unternehmen und wurde tatsächlich fündig: Am 23. November stellten einige eine Anfrage, die „lediglich“ 324 Fragen umfasst. Ich möchte Sie nicht lange auf die Folter spannen und ihnen schon jetzt verraten, um was es hier nicht geht. Es geht nicht um darum, dass während ich den Brief von HC las, „irgendwo in Wien gerade eine Wohnung ausgeraubt wird. Oder ein Auto aufgebrochen…“. Natürlich geht es auch nicht um “Häupl nach 15 Jahren Versäumnisse“, sondern um das Problem Nr. 1 der FPÖ um die fehlende Vorhaut, um die Motive der Beschneidung von Buben unter 15 Jahren und das liest sich zum Beispiel so:

Es ist schon erstaunlich, dass es immer wieder die gleichen Themen sind ….

Unwort des Jahres

Der Spiegel berichet heute über bisherige Vorschläge. „Betriebsratsverseuchte Mitarbeiter“ ist allerdings ein Ding, was mich schon recht sprachlos werden lässt, zugegeben. Sarrazins „Kopftuchmädchen“ finde ich zwar z.K., aber mein absoluter Favorit in dieser Negativleiste ist wohl „Flüchtlingsbekämpfung“. Wie zynisch kann man eigentlich sein, muss man sein, um ein solches Wort zu kreieren und zu verwenden? Nicht Mißstände werden bekämpft, sondern die, die vor ihnen fliehen. Dahinter stehen Menschen, die in winzigen Flüchtlingsbooten auf See verdursten oder ertrinken, in der Wüste herumirren, in Lagern und an Zäunen hängend sterben. Kinder, die in ihrem Leben nichts anderes kennen als Heimatlosigkeit, Ausgestoßensein.

Mich schaudert’s.

Deutschland schwarz-weiss

…. ist der Titel eines Buchs, das sich mit dem alltäglichen, auch versteckten Rassismus in Deutschland befasst. Besonders lesenswert für Leute, die sich selbst niiiieeemals eines rassistischen Gedankens für fähig halten würden, aber sich gelegentlich furchtbar „witzisch“ finden.

Mehr über das Buch gibts hier:

http://www.deutschlandschwarzweiss.de/index.html

Die Lektüre kann anstrengend sein, aber es lohnt sich.